5 Gründe für die innere Kündigung bei Führungskräften in der Altenpflege

Juhu, ein neuer Arbeitsplatz.

Egal ob man Einrichtungsleitung ist oder Pflegekraft. Alle angestellten Mitarbeiter kennen dieses Gefühl.

Das Vorstellungsgespräch ist gut gelaufen. Gehalt, Urlaub und Arbeitszeit sind ausgehandelt. Im Arbeitsvertrag wird alles zuvor Ausgehandelte schriftlich festgehalten.

Jetzt kann man hochmotiviert die neue Herausforderung angehen… Oder war da noch etwas?

Der psychologische Vertrag.

Neben den Bedingungen im Arbeitsvertrag gehen Beschäftigte und Unternehmen immer auch einen psychologischen Vertrag ein.

Immer!

Dieser beinhaltet die gegenseitigen Erwartungen von Mitarbeiter und Unternehmung bzw. Führungskraft. Dieser Vertrag wird weder mündlich besprochen noch schriftlich festgehalten.

Er wird aber immer abgeschlossen! Ohne Ausnahme! Menschen sind so!

Beschäftigte erwarten eine sinnhafte Tätigkeit, außerdem eine durch Achtsamkeit und Wertschätzung geprägte Beziehung zur Führungskraft und Arbeitsaufgaben die zu bewältigen sind.

Im Gegenzug erwartet das Unternehmen Loyalität, Flexibilität und Engagement.

Durch diesen psychologischen Vertrag werden Mitarbeiter emotional an das Unternehmen gebunden.

Als ich 1998 meinen ersten Geschäftsführer kennenlernte, war ich eine von 15 Einrichtungsleitungen. Natürlich hatte ich einen Arbeitsvertrag unterschrieben, aber auch der psychologische Vertrag wurde unterbewusst geschlossen.

Krisenmanagement ist eine sinnhafte Tätigkeit. Das Beziehungsmanagement wurde von seiner Frau übernommen und war von Wertschätzung geprägt. Auch die Arbeitsaufgaben konnte ich erfüllen, sodass sich bei mir ein Erfolgsgefühl einstellte.

Im Gegenzug war ich sehr engagiert und loyal. Meine Flexibilität zeigte ich durch die Bereitschaft über 40 Stunden hinaus zu arbeiten und die Woche über, fern ab von zu Hause, in den von mir übernommenen Einrichtungen zu nächtigen.

Dieses Gefühl und das daraus resultierende Verhalten sind sicher vielen bekannt.

Das Einhalten dieses psychologischen Vertrages klappte über 3 Jahre. Dieser Vertrag lief aber unterbewusst ab. Weder der Unternehmer noch ich als Mitarbeiterin konnten damals diese Abmachung bewusst benennen.

Trotzdem hatte das zur Folge, dass ich als Führungskraft auch einen psychologischen Vertrag mit den mir unterstellten Mitarbeitern eingehen und einhalten konnte.

Als der Unternehmer den psychologischen Vertrag (unbewusst) brach, habe ich mir drei Monate später einen neuen Arbeitgeber gesucht.

Das Unternehmerpärchen fiel bei meiner Kündigung aus allen Wolken. Ich konnte meinen Kündigungsgrund aber nicht argumentativ darlegen.

Da kommen dann Ausreden wie: „Ich gehe aus privaten Gründen oder der Weg zum Arbeitsplatz ist mir zu weit“.

Ich hatte das damals noch nicht durchanalysiert, ich wollte einfach nur weg.

Gründe für innere Kündigung bei Führungskräften.

Die innere Kündigung wird durch das Arbeitsumfeld verursacht. Die Gründe sind:

  • Führungsverhalten der unmittelbaren Führungskraft (psychologischer Vertrag)
  • Abnahme verantwortungsvoller Tätigkeiten
  • Übergehen bei Beförderung
  • Verringerung der beruflichen Perspektive
  • Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation in der Organisation

Aus den Gesprächen mit Einrichtungsleitungen wärend des Telefon-Coachings weiß ich, dass es aber auch Umstrukturierungen sein können, die von den Führungskräften nicht akzeptiert oder nachvollzogen werden können.

In meinem Blogartikel „Anno 2003, In der Bütt“ habe ich die Gefühlslage beschrieben, die wir Einrichtungsleiter hatten, als wir frisch aufgekauft in einer EL-Tagung saßen.

Dieser Investor von damals hatte den psychologischen Vertrag mit uns Einrichtungsleitungen durch sein Verhalten von vornherein ausgeschlossen. Nach dieser Einrichtungsleiter-Tagung war niemand mehr emotional an das Unternehmen gebunden.

Dem 2017 erschienenen Report zum Gallup Engagement Index zufolge kostet mangelnde Mitarbeitermotivation die deutsche Wirtschaft bis zu 105 Milliarden Euro jährlich. Führungskräfte haben dabei maßgeblichen Einfluss auf die Produktivität von Mitarbeitern und deren Integration in die Organisationskultur.

Wie muss sich die Rolle der Führungskraft ändern oder anpassen, um Mitarbeiter an das Unternehmen emotional zu binden und deren Arbeitsleistung aufrechtzuerhalten?

Investor, Geschäftsführung, Regionalleitung, Einrichtungsleitung, Pflegedienstleitung und Wohnbereichsleitung sind die Hierarchiestufen in unserer Branche. Jede vorgesetzte Hierarchiestufe ist verantwortlich für den psychologischen Vertrag mit dem nachrangigen Mitarbeiter. Bis hin zu den Pflegemitarbeitern.

Wird dieser Vertrag vom Vorgesetzten gekündigt, gehen die nachfolgenden Mitarbeiter automatisch in die innere Kündigung.

Unternehmen die den psychologischen Vertrag einhalten, haben kaum Pflegekräftenotstand. Dort arbeiten auch genug ELer und PDLer die noch nicht innerlich gekündigt haben und ihre emotionale Verbundenheit zum Unternehmen an die Mitarbeiter weitergeben.

Heute 20 Jahre nach „Anno 2003, In der Bütt“ betrachte ich mir die Branche und behaupte:

80 % der Mitarbeiter in der Pflegeheimbranche haben innerlich gekündigt! Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber auch viele Führungskräfte haben innerlich gekündigt.

Eine sinnhafte Tätigkeit, eine gute Beziehung zur Führungskraft und Arbeitsaufgaben die zu bewältigen sind…

…das gibt es doch in der Hälfte aller Unternehmen gar nicht mehr!

Welchen Sinn sieht eine PDL in ihrer Tätigkeit, wenn sie dreimal die Woche in der Pflege einspringen muss?

Welchen Sinn sieht eine EL in ihrer Tätigkeit, wenn sie gezwungen wird drei Stellen unter Plan zu fahren?

Welchen Sinn sieht eine Regionalleitung in ihrer Tätigkeit, wenn sie gezwungen wird Sparmaßnahmen durchzusetzen, die utopisch sind.

Welchen Sinn sehen angestellte Geschäftsführer in ihrer Tätigkeit, wenn sie kaum noch etwas selbstständig entscheiden dürfen?

Wie soll sich eine wertschätzen Beziehung zwischen den Hierarchiestufen bilden, wenn die Verweildauer der Führungskräfte im Unternehmen immer kürzer wird.

Wenn es keine konstruktiven, reflektierenden Gespräche mehr gibt. Es gibt Unternehmen, da wechseln die Geschäftsführer jedes Jahr.

Wenn Regionalleiter im Vorstellungsgespräch schon gesagt bekommen: „Einrichtungsleiter die nicht funktionieren, rausschmeißen… Sonst müssen sie auch gehen…“

Auch ein Klassiker: Als EL hatte man ein gutes Verhältnis zur Unternehmensleitung. Dann wurde das Unternehmen größer und es kam eine Hierarchiestufe hinzu. Die neu eingesetzten Regionalleiter oder ZQMler waren aber fachlich ungeeignet und konnten die emotionale Bindung nicht übernehmen und aufrechterhalten.

Während meiner Telefon-Coachings wird mir diese Situation oft beschrieben. Die Einrichtungsleiter hatten dadurch die emotionale Bindung zum Unternehmen verloren und sind in die innere Kündigung gegangen.

Da das immer eine Zeit lang dauert, bis sich die Auswirkungen zeigen, sehen Unternehmensinhaber da überhaupt keinen Zusammenhang.

In unserer Branche halten viele Unternehmer den psychologischen Vertrag nicht mehr ein. Eine emotionale Bindung zum Unternehmen ist oft nicht mehr möglich.

Der Pflegekapitalist von heute sagt sicherlich: „Ein Altenpflegeheim ist kein Ponyhof! Ich will Umsatzrendite sehen!“ Und die kommt ja auch, die Pflegeheime sind voll. Und die Politik reguliert nicht.

Aber der psychologische Vertrag ist kein Kuschelkurs. Er wird automatisch abgeschlossen. Seine Einhaltung ist für die psychische Gesundheit der Führungskräfte und für den geschäftlichen Erfolg des Unternehmens exorbitant wichtig.

Die Nichteinhaltung dieses Vertrages ist der Grund dafür, dass es in der Pflegebranche Personalnotstand gibt.

Hier im Hasenblog versuche ich am Ende jedes Artikels eine mögliche Problemlösung zu finden. Das kann ich für dieses branchenübergreifende Problem natürlich nicht.

Im Artikel: Der psychologische Vertrag - Mitarbeiterfluktuation in der Altenpflege habe ich eine mögliche Lösung für den Einzelnen beschrieben.

Aber in diesem Artikel kann ich nur Bewusstsein schaffen und ketzerisch behaupten: „Um ein guter Geschäftsführer zu sein reicht – ein Ego zu haben - nicht aus, man muss sich auch mit Menschen auskennen und den psychologischen Vertrag einhalten“.

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