Der psychologische Vertrag - Mitarbeiterfluktuation in der Altenpflege

Und wie du als Einrichtungsleitung damit fertig wirst!

Auf welcher Seite stehen sie denn? Das hatte mich der Deutschlandchef eines großen Unternehmens während eines Vorstellungsgespräches gefragt. Etwas perplex habe ich damals zurückgefragt: „Welche zwei Seiten gibt es denn“? Er antwortete mir: „Die Seite des Trägers und die Seite der Mitarbeiter“.

Ach herrje, ich hatte mich mit dieser Gegenfrage natürlich für den Job disqualifiziert und gleichzeitig war er für mich als Arbeitgeber uninteressant geworden, denn das geht gar nicht.

Auf der Rückfahrt von diesem Vorstellungsgespräch habe ich gründlicher über seine Aussage nachgedacht: Aufgrund dieser Einstellung sind viele Mitarbeiter in der Altenpflegeheimbranche so frustriert und angstbesetzt!

Nur Top… äh Flop-Manager generieren zwei Seiten! Denn dadurch wird der psychologische Vertrag mit dem Mitarbeiter gebrochen und das ist der Hauptgrund für die Personalnot in der Pflegebranche!

Diese zwei Seiten also: Die eine Seite, in der Flop-Manager den psychologischen Vertrag nicht einhalten und die andere Seite, in der eine Einrichtungsleitung einen Betrieb führen möchte, in der es keine Mitarbeiterfluktuation gibt.

Was hat der psychologische Vertrag mit Mitarbeiterfluktuation zu tun?

Wir alle kennen den Arbeitsvertrag. Dieser wird schriftlich abgeschlossen und regelt auf der Sachebene Gehalt, Position und Aufgabe. Gleichzeitig mit dem Arbeitsvertrag wird aber immer auch ein psychologischer Vertrag abgeschlossen.

Das geschieht nicht schriftlich, sondern findet in den Gedanken der Vertragspartner statt. Immer! Der psychologische Vertrag ist der Kern der Beziehung zwischen Beschäftigten und Unternehmen. Er wird auf der Beziehungsebene oftmals nur unterbewusst abgeschlossen.

psychologischer Vertrag gut


Er beinhaltet Erwartungen auf Seiten der Mitarbeiter, die aufgrund von Aussagen oder Verhaltensweisen der Führungskräfte entstanden sind, aber auch Erwartungen, die die Führungskraft aufgrund des Bewerbergesprächs hegt.

Mitarbeiter erwarten zum Beispiel: Sicherheit, Berechenbarkeit und Sinnhaftigkeit in ihrer Tätigkeit. Die Führungskraft erwartet im Gegenzug: Verlässlichkeit, Flexibilität und Loyalität.

Diese Erwartungen sind subjektiv, da sie von Wahrnehmung, Persönlichkeit und den Lernerfahrungen der Vertragspartner abhängen.

Das ist wie bei einer Waagschale.

In der Pflegebranche liegen auf der einen Seite die Erwartungen der Mitarbeiter an den Einrichtungsleiter:

  • Berechenbarkeit (offene Kommunikation, Kontinuität)
  • Sicherheit (gesicherte Freizeit, geregelte Abläufe, Führung)
  • Sinnhaftigkeit (im Sinne des Berufes pflegen können)

und auf der anderen Seite die der Arbeitgeber an die Mitarbeiter:

  • Verlässlichkeit (regelmäßig zum Dienst erscheinen)
  • Flexibilität (Bewohnerwünsche und Qualitätsvorgaben erfüllen)
  • Loyalität ( gegenüber der Einrichtung und dem Unternehmen)

Hält die Führungskraft jetzt der Erwartungshaltung der Pflegekraft nicht stand und bietet beispielsweise keine Sicherheit mehr, kippt die Waagschale und ist nicht mehr ausgeglichen.

Da der psychologische Vertrag aber immer in der Waage liegt, gleicht die Gegenpartei aus. Nimmt also der Arbeitgeber die Sicherheit weg, nimmt automatisch der Mitarbeiter die Verlässlichkeit weg und die Waagschale ist wieder ausgeglichen.

 
psychologischer Vertrag schlecht


Erfüllst du als Einrichtungsleitung die Erwartungshaltung der Mitarbeiter nach geregeltem Frei, Mitarbeiterzufriedenheit, offener Kommunikation und Beziehungsmarketing, hast du keine Personalnot.

Dann könnten Konkurrenten aus deiner Region, welche die Erwartungshaltung ihrer Mitarbeiter nicht befriedigen, ruhig 200 € mehr Lohn bieten - deine Mitarbeiter bleiben bei dir.

Erfüllst du den psychologischen Vertrag nicht, gehen deine Mitarbeiter in die innere Kündigung und die guten Mitarbeiter sind ganz weg. Eine Mitarbeiterfluktuation die mittlerweile üblich ist.

Da der psychologische Vertrag immer abgeschlossen wird, gibt es ihn natürlich auch zwischen Einrichtungsleitung und Geschäftsführung.

Stellenanzeigen für Einrichtungsleitungen sehen immer so oder ähnlich aus:

Wir bieten Ihnen als Einrichtungsleitung:

  • Ein hohes Maß an Verantwortung
  • Entlastung durch bewährte Standards
  • Erfahrungsaustausch mit anderen Führungskräften
  • Qualifizierende Weiterbildungen
  • Unterstützung durch die Hauptverwaltung
  • Mitarbeit an zentralen Projekten
  • Freiräume für Ihre eigenen Ideen und Vorstellungen

Liest sich gut! Das Kopf-Kino geht los! Die Erwartungshaltung der Einrichtungsleitung an das neue Unternehmen entsteht.

Aber im Laufe der Probezeit entpuppt sich:

  • Die Verantwortung als Haftung.
  • Die bewährten Standards muss man selbst erst noch einführen.
  • Für Erfahrungsaustausch mit anderen EL‘s ist auf Heimleitertagungen kaum Zeit.
  • Qualifizierte Weiterbildung versucht man sich selbst fürs übernächste Jahr zu budgetieren.
  • Die Unterstützung durch die Hauptverwaltung entpuppt sich als Anforderung und Druck.
  • Für Mitarbeiter an zentralen Projekten hat man keine Zeit und eigene Ideen und Vorstellung dürfen nichts kosten.

So, wenn jetzt die Regionalleiter wechseln wie die Fliegen oder das ZQM immer mehr fordert, weiß auch eine Einrichtungsleitung wie es sich anfühlt, wenn der psychologischer Vertrag nicht eingehalten wird.

Als Einrichtungsleitung musst du dir bewusst machen, dass du zwischen den Stühlen sitzt. Wenn das Unternehmen dir gegenüber den psychologischen Vertrag nicht einhält, tut das weh, frustriert und überfordert.

Der Investor möchte Umsatzrendite generieren. Der Geschäftsführer braucht aus diesem Grund die Vollbelegung in Verbindung mit wenigen Personalkosten. Es gibt Unternehmen in der Branche, die offenen oder auch subtilen Druck ausüben, um das zu erreichen!

Du möchtest aber eine Einrichtung führen und hast die Fürsorgepflicht für Bewohner und Mitarbeiter. Du musst Kundenbedürfnisse erfüllen und Heimaufsicht, MDK und Angehörige zufriedenstellen.

Du möchtest Spaß im Job haben und nicht fröhlich in den Herzinfarkt marschieren.

Das geht nur wenn die Mitarbeiter in deinem Boot sitzen und mitrudern. Deshalb ist es so wichtig, dass du den psychologischen Vertrag gegenüber deinen Mitarbeitern trotzdem einhältst. Denn, wenn du den auf dich ausgeübten Druck an dich heran lässt oder womöglich an die Mitarbeiter weitergibst und diese Mitarbeiter dann aus deinem Boot springen, führst du eine dieser traurigen Einrichtungen in der alle Bemühungen ein sinnentleertes Unterfangen sind.

Was musst du tun?

Schließe den Arbeitsvertrag mit deinem Unternehmen ab und sichere dir ein vernünftiges Gehalt, Firmenwagen, usw. Auf monetärer Ebene, aber nicht auf der Beziehungsebene.

Für den psychologischen Vertrag musst du dir ganz bewusst jemand Anderen suchen. Schließe den mit Bewohnern, Kollegen, Mitarbeitern oder Angehörigen ab. Oder einfach mit deiner Einrichtung.

Ich habe im Laufe der Jahre einige Einrichtungsleitungen kennengelernt, die das geschafft haben. Nur weil deren Betreiber an Gewinnmaximierung dachte und die Mitarbeiterführung bei seinen Führungskräften außen vor lies, haben diese Leitungen sich ihrem Beruf nicht madig machen lassen. Trotz mehrmaliger Verkäufe ihres Heimbetreibers an ausländische Konzerne sind sie ihrer Einrichtung treu geblieben und waren von Frust und Burnout weit entfernt.

Bedenke auch:

Deine Pflegedienstleitung, als stellvertretende Heimleitung, ist in genauso einer undankbaren Sandwichposition wie du. Einerseits hat sie eine Führungsposition und muss die Erwartungen der Mitarbeiter in Bezug auf die Dienstplangestaltung erfüllen, andererseits hat sie auch einen psychologischen Vertrag mit dir abgeschlossen und erwartet die Beachtung ihrer beruflichen Erwartungen.

Aktionstep:

Feierabend, auf dem Weg nach Haus.

Überlege Dir wann Du das letzte Mal diesen Druck gespürt hast? Wer hat ihn wie ausgeübt? Und was hat das mit Deinem Selbstwertgefühl gemacht?

Ändere gegebenenfalls Deine Einstellung...

Alles, was Du bewusst und reflektiert durchlebst, verliert seinen Schrecken.

Denn Du bist stark, schön und schlau! :-)

Führe leidenschaftlich, sei leidenschaftlich …

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4 Kommentare

  • Hallo Frau Fretz, dieser Artikel ist mir aus der Seele gesprochen! Einfach Lächeln und winken ;-)
  • Hey Rebecca,
    wenn man das verstanden hat, kann man auch in großen Unternehmen überleben.
  • Sehr guter Artikel! Leider wird diese Front zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter selbst in Zeiten von Fachkräftemangel immer noch von vielen Trägern aufgebaut und weitergegeben. Es ist jedoch sehr schwer, diesem Druck als Inhaber einer Sandwichposition zu widerstehen und dennoch seiner Aufgabe mit Freude nachzugehen. Die Folge ist, dass viele Einrichtungsleitungen/ Pflegedienstleistungen oder auch Mitarbeiter den "Pflexit" vollziehen und die Geschäftsführer mit Bonus nach einem Jahr das Unternehmen wechseln. Beides ist katastrophal für die Pflege.
  • Hey Mr.,

    Danke. Ja das ist leider so.

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