Umsatzrendite-Personalmassaker

Umsatzrendite und Pflege passen nicht zusammen! Das ist der Gedanke, welcher zum Thema Altenpflege in mir vorherrscht.

Ist das wirklich so? Oder ist Umsatzrendite/gute Pflege nur eine Konstellation, die mit sehr viel Fingerspitzengefühl und Fachkompetenz zu erreichen ist?

Ich muss den ersten Satz doch noch einmal spezifizieren: Immer höhere Umsatzrenditen und qualitativ hochwertige, wertschätzende Pflege im Sinne der Pflege-Charta passen nicht zusammen!

Im Grunde schreibe ich diesen Blog für Einrichtungsleiterinnen, die genau in diesem Wirkungsbereich nach Lösungen suchen. Im Telefon-Coaching beschreiben mir diese Einrichtungsleiterinnen ihre undankbare Sandwichposition zwischen Träger, Heimaufsicht und Personal.

Die Not der Einrichtungsleiterinnen

Da heißt es dann von einer EL:

 „Laut Geschäftsführer soll ich den Wohnbereich III komplett belegen, dabei laufe ich sechs Stellen unter Stellen-Plan. Ich kann nicht nein sagen, denn ich bin noch in der Probezeit!“

Eine andere erzählt:

 „Die Heimaufsicht droht aufgrund der Mängel mit Belegungsstopp, ich habe schon einen Wochenenddienst übernommen. Mir fehlen noch immer eine PDL und eine WBL.“

Von einer weiteren heißt es:

 „Der Belegungsstopp ist aufgehoben, die Heimaufsicht ist mit der Qualität zufrieden, ich habe 64 % Fachkraftquote, der Krankenstand ist bei 3 %, ich fahre immer noch zwei Stellen über Personalschlüssel, das Personal ist zufrieden… Aber der Träger ist stinksauer, denn meine Umsatzrendite stimmt nicht mehr.“

Usw.

Die Grundtendenz ist überall die gleiche:

Wenn eine Einrichtung gut läuft, d.h. wenn die Kennzahlen wie z.B. Mitarbeiterfluktuation oder Krankenstand gut sind und die Heimaufsicht zufrieden ist… könnte die Einrichtungsleitung eigentlich zufrieden sein, denn sie hat diesen Spagat zwischen Umsatzrendite und guter Pflege geschafft.

Das gilt aber nur bei kleineren Trägern, die mit einer moderaten Umsatzrendite von 3,5 % zufrieden sind.

Personalmassaker - Umsatzrendite? Wie jetzt?

Große Träger mit Investoren aus dem Ausland sind mit 3,5 % nicht zufrieden! Hier intervenieren Geschäftsführer und Regionalleitungen und setzen bei Einrichtungsleitungen die Daumenschrauben an.

Ist die Einrichtungsleitung ein alter Hase und nicht mehr in der Probezeit hält sie das, je nach Persönlichkeit, eine Weile aus. Es werden Gespräche geführt und es werden Meetings anberaumt. Dann werden die Gespräche persönlicher und der Druck wird erhöht. Die härtesten Führungskräfte halten das ein Jahr aus, bis sie sich etwas Anderes suchen.

Noch stärkere Persönlichkeiten werden unter einem Vorwand „gegangen“.

Solch einer Kündigung folgt dann oftmals, von Seiten der EL, eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Dort werden Abfindungen bis zu einem Monatsgehalt pro Arbeitsjahr ausgehandelt.

Was passiert nach einer Einrichtungsleiter-Kündigung in der Einrichtung?

Beim Personal, bei den Angehörigen und bei den Bewohnern bricht die große Unsicherheit aus.

Daraufhin präsentiert der Träger eine Übergangsführungskraft aus dem Qualitätsmanagement, der Unternehmens-Task-Force oder aber eine Einrichtungsleitung aus einem Nachbarhaus, welche für kurze Zeit das Haus zusätzlich mit übernimmt.

Wenn gute Einrichtungsleiterinnen gehen, folgt ihnen oftmals ein Teil des Personals. Ein weiteres Phänomen ist, dass zurückgebliebene Pflegedienstleitungen und Wohnbereichsleitungen und auch Teile des Personals eine Notgemeinschaft bilden und die Defizite im Haus mit einer riesigen Kraftanstrengung eine Zeit lang ausgleichen.

Bewohner, Angehörige und Personal hoffen darauf, dass sich die Situation mit der Zeit zum Besseren wendet und halten aus. Die Heimaufsicht gibt dem Träger Zeit eine neue Einrichtungsleitung zu suchen und tolerierte erste Missstände.

Was macht das mit der Umsatzrendite? Sie steigt!

Die Abfindung der Einrichtungsleitung liegt zwischen einem halben und einem ganzen Monatsgehalt pro Jahr. Nehmen wir an, sie war drei Jahre in der Einrichtung, dann sind das zwischen 9000 und 18000 € Abfindung.

Das Unternehmen wird die Übergangsführungskraft, welche nicht aus dem Budget der Einrichtung bezahlt wird, eine Weile weiterlaufen lassen. Alles was über diese drei Monate (Abfindungssumme) hinausgeht, senkt die Personalkosten. Eine Einrichtungsleitung kostet das Unternehmen incl. Arbeitgeberanteil und eventuellem Firmenwagen ca. 8000 € im Monat.

Das Personal, welches der Einrichtungsleitung folgt, wird auch für einen längeren Zeitraum nicht ersetzt werden. Eine Pflegefachkraft kostet dem Unternehmen inklusive Arbeitgeberanteil ca. 50.000 € im Jahr. Folgen also fünf Kräfte der Einrichtungsleitung in ihr neues Haus, oder suchen sich aus Frust einfach einen neuen Arbeitsplatz, kann sich jeder selbst ausrechnen, um wieviel die Personalkosten für dieses Übergangsjahr sinken, was ja automatisch die Umsatzrendite erhöht.

Wird irgendwann eine junge dynamische Einrichtungsleitung eingestellt, ist diese günstiger, noch in der Probezeit und leichter zu händeln.

Ein guter Ruf ist für diese Art Altenpflegeeinrichtungen irrelevant!

Personalfluktuation, Qualitätsdefizite, Imageverlust sind Investor gesteuerten Unternehmen heutzutage egal, denn sie wirken sich auf die Umsätze nicht aus. Solange die Heimaufsicht kein Belegungsstopp verfügt, sichert die hohe Nachfrage die Vollbelegung einer Einrichtung.

Es ist irrelevant, ob sich die Qualität der Pflege am Bewohner verändert bzw. verschlechtert. Es ist irrelevant ob Bewohner mit einem BMI unter 18 oder diversen Dekubiti früher versterben.

Die Betten werden jederzeit mit Nachschub voll belegt. Die Umsatzrendite erhöht sich, sobald man die Kosten senkt.

Jetzt meine provokante These:

Personalnotstand erhöht die Umsatzrendite der Betreiber!

Wenn der Personalnotstand von den Pflegekapitalisten nicht gewollt wäre, hätten Lobbyisten den Gesundheitsminister längst dazu motiviert, etwas zu ändern.

Nein, statt dessen kommen Pflästerchen wie diese 13000 Stellen, welche gar nicht besetzt werden können. Oder Herr Spahn holt billigere Kräfte aus dem Ausland.

Auch wird das Personal der Heimaufsichten nicht verstärkt. Es wird nicht genug kontrolliert! Es folgen keine Konsequenzen, die dann auch Verbesserungen bringen...

Das Ganze hat System. Personalmassaker zugunsten der Umsatzrendite!

Kapitalismus schön und gut.

Aber die Privatisierung der Pflege hier in Deutschland war ein Fehler!

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