Hallo Herr Spahn: „Ich fahr mal eben einen Schneeball holen“.

Die Frage, was einen guten Politiker auszeichnet, hat der deutsche Soziologe und Nationalökonom Max Weber (21 April 1864 - 14 Juni 1920) schon vor neunzig Jahren in einem Vortrag an der Universität München zu beantworten versucht: "Man kann sagen, dass drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft - Verantwortungsgefühl - Augenmaß."

Ach herrje, Augenmaß wurde bei dem Pflege-Werbespott „Mehr als ein Beruf“ nicht bewiesen. Dieser zweiminütige Werbefilm wurde vom Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben und von der Agentur Scholz & Friends umgesetzt.

Eine junge Pflegerin streichelt einem bettlägerigem älteren Bewohner über den Kopf, massiert kurz seinen Rücken und überlegt sich dann auf einen Berg zu fahren und ihm eine Kugel Schnee mitzubringen…

OK. Das ist kein Werbespot pro Pflege, sondern ein Schlag ins Gesicht der Pflegekräfte, Bewohner und Einrichtungsleiter. Warum? Weil die Pflegesituation in Deutschland für Pflegekräfte und Bewohner eine andere ist.

Niemand hat Zeit auf einen Berg zu fahren und Schnee zu holen oder ähnliches. Es ist nicht einmal genug Zeit da um ordentlich zu pflegen. Glaubt wirklich jemand, dass Pflegeneulinge sich von so einem unrealistischen Film einfangen lassen? Für wen ist dieser Film gemacht?

Für die Politiker, die Pflegekräfte, für die Pflegekapitalisten oder zur Verdummung der Bevölkerung?

Wieso Pflegekapitalisten?

Ein Pflegekapitalist ist ein Investor, der rücksichtslos seinen Gewinn maximiert, ohne sich für die Auswirkungen seines Handels auf die Menschen, die Gesellschaft, oder die Zukunft zu interessieren.

Die Auswirkungen des Handelns zeigen sich bei den Menschen in deren Einrichtungen. Dort kann unter diesen Bedingungen nur noch schlecht gepflegt werden.

Die Auswirkungen sind, Bewohner mit einem BMI unter 18, Bewohner mit offenen Wunden und als Oberbegriff, traurige Bewohner mit seelischen Schmerzen.

Das alles ist verbunden mit dem frühzeitigen Versterben dieser Menschen. Deren Tod wird billigend in Kauf genommen. Denn es ist ja genug Nachschub da. Die 3.500,- € fließen, solange kein Belegungsstopp verhängt wird.

Bei den Pflegemitarbeitern fördert dieses Handeln den Burnout, den Krankenstand, die Arbeitslosigkeit, das frühzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsprozess.

Aber auch Führungskräften aus der Altenpflege geht es nicht viel besser. Der Druck der auf Führungskräfte ausgeübt wird bzw. die Kluft die dadurch zwischen Mitarbeiter und Führungskräften entsteht, macht auch viele Führungskräfte krank.

Die gesellschaftliche Verantwortung ignorieren diese Pflegeheimbetreiber.

All das wird billigend in Kauf genommen, denn das geht ja auf Kosten der Gesellschaft und muss von der Allgemeinheit getragen werden.

Und all das nur, weil einige viel und schnell verdienen wollen und den Hals nicht voll kriegen!

Da stellt sich die Frage, warum machen die das? Warum leckt sich der Hund am Schwanz? Weil er es kann! Es ist immer die gleiche Antwort. Weil sie es können!

Und alles auf Kosten der Allgemeinheit. Und das sind wir. Alles auf unsere Kosten.

Wir möchten doch, dass mit unseren Abgaben an den Staat etwas Gutes für die Gemeinschaft gezahlt wird. Mir ist völlig klar, dass das blauäugig ist, aber man muss es wenigstens auf den Punkt bringen.

Wir bezahlen die Raffgier einiger Menschen mit unserer Gesundheit und unserem Leben.

Wir zahlen nicht nur Steuern, sondern auch in die Pflegeversicherung und Krankenkassenbeiträge.

In der Altenpflege verdienen einige am Unglück vieler Menschen.

Einige alte Menschen bezahlen jetzt schon viel zu früh mit ihrem Leben dafür. Viele in der Pflege arbeitende Menschen bezahlen mit ihrer Gesundheit und wir alle bezahlen mit unserm Geld dafür.

Und der Staat managt immer noch nicht. Nein, er fuddelt nur auf vielen Nebenschauplätzen herum.

Es sitzen tatsächlich Minister in Talkshows und reden den Pflegeheimbetreibern nachdem Mund. Werte Politiker, hier besteht aber Handlungsbedarf im Sinne ihrer Wähler. Und das nicht in Form eines Werbefilmchens!

Wir brauchen eine sachliche, realistische Anerkennung des Pflegeberufes in seiner Fachlichkeit. Wir brauchen eine Festlegung der Umsatzrendite. Wir brauchen Kontrollen am Bewohner mit der Konsequenz des Belegungsstopps bei Qualitätsmängeln.

Kein verdummendes, sexistisches und realitätsfernes Werbefilmchen, welche die hohe Fachlichkeit der Pflegefachkräfte in die Tonne kloppt.

Heute Morgen erzählt mir eine Nachbarin, dass sie gestern mit zwei Kolleginnen für insgesamt 52 Bewohner zuständig war. Eine Pflegefachkraft für 52 Bewohner und sie als Pflegehilfskraft allein für 22 Bewohner. Waschen, lagern, Essen reichen. Sie ist fast 60 und kann heute kaum laufen.

Als sie vor 20 Jahren in dieser Einrichtung angefangen hatte, gehörte diese noch einem privaten Betreiber mit nur fünf Einrichtungen. Damals hatte das Arbeiten noch Spaß gemacht. Heute gehört diese Einrichtung zu einem großen Konzern aus dem europäischen Ausland.

Ich habe sie gefragt, ob sie allen Bewohnern, die es nötig hatten, Essen anreichen konnte. Und ob sie alle Bewohner lagern konnte. Sie hat nur traurig mit dem Kopf geschüttelt.

Was ich ihr geraten habe, können sie sich vorstellen. Sie hat darauf nur geantwortet, die Heimaufsicht macht doch sowieso nichts.

Ich habe während dieses Gesprächs an die Bewohner auf ihrem Wohnbereich gedacht. Die gestern nicht genug gelagert worden sind und heute sicher einen Dekubitus haben und an die, die gestern nicht satt geworden sind.

Im Internet konnte ich die Prüfungsergebnisse dieser Einrichtung nachlesen. Leichte Pflegemängel hieß es da von Seiten der Heimaufsicht.

Pflegekapitalisten sind nicht nur Investoren aus anderen Ländern, sondern auch die Akteure hier vor Ort. Menschen die am Pflegemarkt ihr Geld verdienen, ohne auf die Auswirkungen ihres Handelns auf die Gesellschaft und den einzelnen Heimbewohner zu achten.

Es gibt hier gute, aber auch viele schlechte Akteure.

Mit solchen Werbekampanien unterstützen sie die dunkle Seite der Branche!

Max Weber sagte vor neunzig Jahren auch:

Leidenschaft zur Sache setzt immer Kompetenz voraus. Das bedeutet, dass man die Fähigkeit und den Willen hat, sich mit den komplexen Wirkungsmechanismen unserer Wirtschaft und Gesellschaft auseinanderzusetzen.

Oder anders ausgedrückt: Liebe Politiker, welche ihr vom Volke gewählt seid, nicht nur auf die Wirtschaft gucken! Macht euern Job mit Leidenschaft!

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